6.05 Ludwig Salvator 1893/1896

Ludwig Salvator von Österreich-Toskana (1847-1915), zweitjüngster Sohn des letzten regierenden Großherzogs der Toskana Leopold II, war eine besonders exzentrische Figur im an exzentrischen Figuren reichen Fin de Siècle. Als beschäftigungsloser Spross einer nach der Schlacht bei Solferino beschäftigungslosen Dynastie fühlte er sich zum Forschungsreisenden im Mittelmeer berufen. Die Mittel seiner Herkunft gestatteten ihm, dies als Privatperson zu tun. Neben einem Sommersitz bei Triest als mediterranem Stützpunkt verfügte er ab 1872 über die 52-Meter-Dampfsegelyacht „Nixe“, die eine beachtliche Bibliothek an Bord hatte. So ausgestattet waren es naturgemäß die mittelmeerischen Inseln, die sein Interesse erregten, allen voran die Balearen, als deren eigentlicher touristischer Entdecker und topographischer Erforscher er gilt. „Während ich mich mit meiner Schilderung der Balearen beschäftigte und zu diesem Behufe ab und zu dahinfuhr, hielt ich mich zu wiederholten Malen bei den Liparischen Inseln auf, die von der Adria aus so ziemlich in der Mitte des Weges gelegen sind. So ging es Jahre lang, und jedesmal trachtete ich einen neuen Winkel Schritt für Schritt zu erforschen und neue Bilder zu zeichnen.“ Die Beschreibung dieser leichtgängigen Art, wie Ludwig Salvator en passant an seinen Forschungsgegenstand geriet, ist bezeichnend für die zwischen modernem Forschungseifer und aristokratischen Dilettantismus sich entfaltende Tätigkeit des Archiduque. [GM]

Ludwig Salvator, Vulcano, Prag 1893

Be 4630-4931/1 raro IX

Jeder der sieben Inseln ist ein eigenes „Heft“ gewidmet, tatsächlich aufwendig gestaltete Folio-Bände (42 x 33 cm), die er noch auf dem Schiff vorbereitete und mit einem großen Mitarbeiterstab auf eigene Kosten herstellte. Als anonyme Privatdrucke wurden sie meist an Freunde und Verwandte verschenkt. Entsprechend selten und teuer sind vollständige Exemplare. Die Bände sind mit je 40-50 Xylographien der Stecher Friedrich Hawránek und Johann Simáné ausgestattet, basierend auf Zeichnungen, die Ludwig Salvator vor Ort angefertigt hatte, die nicht selten das erste und zugleich beste Abbildungsmaterial der beschriebenen Gegenstände darstellen. So gesehen stellen diese und andere Insel-Bücher Ludwig Salvators einen wichtigen Beitrag zur historischen Kenntnis der mediterranen Inselwelt dar. Zusammen seiner ersten großen Veröffentlichung Die Balearen (7 Bände, Leipzig 1869–1891) bilden Die Liparischen Inseln das Zentrum seines publizistischen Werks. Daneben veröffentlichte er zahlreiche weitere Bücher zu Inseln und Küstenabschnitten des Mittelmeers. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde Ludwig Salvator von seiner Familie nach Wien beordert. Er starb 1915 auf Schloss Brandeis bei Prag. [GM]

Ludwig Salvator, Stromboli, Prag 1896

Be 4630-4931/7 raro IX

Bei der Erforschung der einzelnen Inseln ging Ludwig Salvator nach einem bewährten Schema vor. Die jeweiligen Honoratioren bekamen einen hundertseitigen Fragekatalog vorgelegt, den sie aufs Genaueste auszufüllen hatten. In der Zwischenzeit erkundete Ludwig zeichnend und Notizen nehmend die Insel. Seine Interessen waren enzyklopädisch breit gestreut. Neben Topographie, Geologie und Botanik nahmen volkskundliche Aspekte einen großen Raum ein. In den meisten Illustrationen halten sich informative und dekorative Aspekte die Waage. So ist das Werk, wie auch die übrigen Publikationen des Autors, eine Mischform aus wissenschaftlicher Darstellung, erzählendem Reisebericht und topographischer Vedutensammlung. Wohl auf Grund dieser aus ihrer Zeit gefallenen Mischform blieben die Werke Ludwig Salvators lange ohne nennenswerte Resonanz. Erst in jüngerer Zeit entstand eine bescheiden blühende Forschung zu Werk und Autor. [GM]

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