Die Fotografin Gabriele Fichera

Kunstdokumentation im Dienste der Forschung

Gabriele Fichera, Juni 2014
Gabriele Fichera, Juni 2014

Im September 2014 ist Gabriele Fichera, die Fotografin und dienstälteste Mitarbeiterin der Bibliotheca Hertziana, in den Ruhestand getreten. Seit Januar 1971 an der Fotothek, hat sie im Laufe ihrer 43jährigen Tätigkeit ein Werk von ca. 65.000 Fotografien geschaffen. Diese Aufnahmen, die eine umfassende Dokumentation der Kunst und Architektur von der Spätantike bis ins 21. Jahrhundert darstellen, werden ergänzt durch zahllose Dias, Abzüge, Scans, Digitalisierungen, digitale Nachbearbeitungen, Eventfotografien und vieles mehr im Dienste der Hertziana. Die Gabriele Fichera gewidmete Bildergalerie beleuchtet das breite Spektrum ihres Schaffens in einigen Ausschnitten.

Ausgewählte Fotokampagnen aus vier Jahrzehnten

1972 Rom, 3. Trastevere-Kampagne: Der Komplex des Klosters San Cosimato
1981–2004 Illustrationen aus Stichwerken
1986 Rom, Chiesa Evangelica Luterana
1988 Rom, Accademia Nazionale di San Luca: Disegni di figura
1996 Vincenzo de‘ Rossi: Ignudi
2002 Bassano Romano: Villa Giustiniani
1979/2004 Rom, Santa Cecilia in Trastevere
2005 Rom, Santa Maria Maggiore
2014 Rom, San Vitale
1993/2014 Rom, Villa Giulia

Fotokampagnen in und außerhalb Roms

Von Anfang an waren Fotokampagnen zu Kirchen, Palästen und urbanen Zusammenhängen in Rom und Umgebung fester Bestandteil des Arbeitsfeldes von Gabriele Fichera. Aus den 1970er Jahren stammt die große Kampagne zur Dokumentation des römischen Stadtviertels Trastevere. Auch das Projekt, Architektur und Ausstattung der römischen Kirchen möglichst lückenlos zu dokumentieren, wurde in diesen Jahren begründet. In diesen Bereich gehören auch die Fotokampagnen, die in direkter Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern des Instituts entstanden sind.

1972 3. Trastevere-Kampagne: Der Komplex des Klosters San Cosimato

Jahr: 1972
Anzahl Fotografien: 102
Forschung / Publikation: Fototeca dell’Unione

Eine der ersten Fotokampagnen führte Gabi Fichera in das Stadtviertel Trastevere in den Komplex des Klosters San Cosimato. Diese Kampagne war die dritte von insgesamt neun, die eine umfassende und 1980 abgeschlossene Fotodokumentation des von zerstörenden Baumaßnahmen und Zerfall bedrohten Stadtviertels erstellte, die für die Fototeca dell’Unione durchgeführt und teilweise aus deren Mitteln finanziert wurde.

1986 Rom, Chiesa Evangelica Luterana

Jahr: 1986/1987
Anzahl Fotografien: 37
Forschung / Publikation: Krüger, Jürgen: Evangelisch-Lutherische Christuskirche Rom, Rom 1988

Für Jürgen Krügers grundlegende Untersuchung zur evanglischen Christuskriche fertigte Gabi Fichera die Fotodokumentation an. Einige Aufnahmen entstanden auch als Ektachrom. Die Schwarzweiß-Fotografie blieb indes bis zum Beginn der Digitalfotografie die bevorzugte Aufnahmetechnik, da die Haltbarkeit von Farbfotografien, Ektachromen und Farbnegativen über einen längeren Zeitraum nicht gewährleistet werden kann.

1996 Vincenzo de‘ Rossi: Ignudi

Jahr: 1996
Anzahl Fotografien: 32
Forschung / Publikation: Schallert, Regine: Das kapitolinische Ehrenmal für Papst Paul IV. Carafa von Vincenzo de‘ Rossi: eine Spurensuche, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 37, 2006 (2008), S. 223–294

Die Fotokampagne entstand in engem Zusammenhang mit den Forschungen von Regine Schallert. Erstmals zeigen die Fotografien die Statuen detailreich aus allen Perspektiven in ihrer Aufstellung im Palazzo San Luigi, nachdem sie bis 1978 dem Blick des Betrachters entrückt, in großer Höhe an der Fassade von San Luigi dei Francesi angebracht waren.

2002 Bassano Romano: Villa Giustiniani

Jahr: 2002
Anzahl Aufnahmen: 207 Negative und 146 Ektachrome
Forschung / Publikation: Strunck, Christina: Identità vere e finte nel programma decorativo del palazzo di Bassano. Albani, Domenichino, Tempesta, Castello e Guidotti dipingono per Vincenzo Giustiniani, in: La Villa di Vincenzo Giustiniani a Bassano Romano, Roma 2003, S. 147–194

Die aufwendige Fotokampagne entstand im Zusammenhang mit den Forschungen von Christina Strunck zur Freskenausstattung der Villa Giustiniani. Besonderer Wert wurde auf die farbige Dokumentation der Fresken und Gemäldeausstattung des Palastes gelegt.

1979/2004 Rom, Santa Cecilia in Trastevere

Jahr: 1979/1980, 2004
Anzahl Fotografien: 77 Negative (1979); 63 Negative (1980); 34 Negative und 48 Ektachrom (2004)
Forschung / Publikation: Schmitz, Michael: Pietro Cavallini in Santa Cecilia in Trastevere. Ein Beitrag zur römischen Malerei des Due- und Trecento, München 2013 (Römische Studien der Bibliotheca Hertziana; 33)

Im Laufe ihrer 43jährigen Tätigkeit kehrte Gabi Fichera häufig auch nach langer Zeit zu Werken zurück. Anlass hierfür waren zum einen Forschungsprojekte der wissenschaftlichen Mitglieder, zum anderen Dokumentationen des aktuellen Zustandes vor und nach Restaurierungen. Die Fresken Pietro Cavallinis in Santa Cecilia in Trastevere hat sie beispielsweise 1979 vor und 1980 nach der Restaurierung und erneut im Jahre 2004 nach einer abermaligen Restaurierung fotografiert. Die früheren Kampagnen waren Teil des Trastevere-Projekts der Fototeca Unione, während die letzte Fotokampagne die Dokumentation zu den Forschungen von Michael Schmitz lieferte. Diese Kampagne der mittelalterlichen Fresken des Dachstuhls gestaltete sich schwierig, ein Großteil der Aufnahmen musste aufgrund der schwierigen räumlichen Situation im Liegen ausgeführt werden. Im Moment des Übergangs zur Digitalfotografie war dies die letzte größere Kampagne, die Gabi Fichera in analoger Fototechnik durchführte.

Studiofotografie

Zu Beginn der der 1980er Jahre erweiterte sich der Arbeitsbereich von Gabriele Fichera durch Studioaufnahmen nach zweidimensionalen Vorlagen. Im Rahmen der Projekte „Stichwerke“ und „Le Blanc“ fertigte die Fotografin viele tausend Aufnahmen nach druckgrafischen Werken an und hatte auch einen wesentlichen Anteil am kontinuierliche Ausbau des an die Institutsforschungen gebundenen Sammlungsschwerpunktes der figürlichen Zeichnungen und der Architekturzeichnungen.

1988 Rom, Accademia Nazionale di San Luca: Disegni di figura

Jahr: 1988
Anzahl Fotografien: 659
Forschung / Publikation: I disegni di figura nell’Archivio Storico dell’Accademia di San Luca, 3 Bde., hg. v. Angela Cipriani und Enrico Valeriani, Rom 1989–1991

Die in der Accademia di San Luca in Rom aufbewahrten umfangreichen Konvolute der Künstlerwettbewerbe des 17. bis 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet der figürlichen Zeichnungen wurden im Jahr 1988 erstmals und umfassend dokumentiert.

Illustrationen aus Stichwerken

Anfang der 1980er Jahre wurde mit der umfassenden Dokumentation der Illustrationen aus Stichwerken der Bibliothek der Bibliotheca Hertziana begonnen. Das Projekt wurde über 20 Jahre fortgeführt und 2004 eingestellt, als die Abteilung Bibliothek die Digitalisierung ihres Rara-Bestandes selbst übernahm.

Thema: Giuseppe Vasi, Delle magnificenze di Roma antica e moderna, Roma 1747-1761
Jahr: 1981
Anzahl Fotografien: 219
Forschung / Publikation: Projekt Stichwerke

Thema: Jean-Jacques Boissard, Romanae urbis topographiae & antiquitatum, qua succincte & breviter describuntur omnia quae tam publice quam privatim videntur anim-adversione digna …, 2. Bd., 3. Teil, Frankfurt a.M. 1597
Jahr: 2004
Anzahl Fotografien: 164
Forschung / Publikation: Projekt Stichwerke

Von der Analog- zur Digitalfotografie

In die langjährige Tätigkeit von Gabriele Fichera fiel der Übergang von der analogen in die digitale Welt. Ab 1971 verwendete die Fotografin eine Linhof-Fachkamera, sowohl für den Studiobereich (9×12 cm Planfilme) als auch für Außenaufnahmen (mit Aufsatz für 6×7 cm Rollfilme). Für Kampagnen, die eine flexible und leichte Handhabung der Ausrüstung erforderten, wie beispielsweise die Trastevere-Kampagne, bediente sie sich gelegentlich einer Leica. Nach über dreißigjähriger analoger Fotografie kamen ab 2004 vermehrt und ab 2005 nahezu ausschließlich Digitalkameras der Marken Sinar, Hasselblad und Canon zum Einsatz.

2005 Rom, Santa Maria Maggiore

Jahr: 2005
Anzahl Fotografien: 73
Forschung / Publikation: Röll, Johannes: Ein unbekanntes Michaelsrelief aus dem römischen Quattrocento. Ein Werk des Isaia da Pisa, in: Docta Manus. Studien zur italienischen Skulptur für Joachim Poeschke, hg. von Johannes Myssok und Jürgen Wiener, Münster 2007, S. 191–196

Die im Jahr 2005 angefertigten Aufnahmen der Skulpturen der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Aula Comiziale des Kapitels von Santa Maria Maggiore gehören zur ersten größeren Fotokampagne, die mit der im Frühjahr 2005 erworbenen Digitalkamera angefertigt wurden. Die Figuren und Reliefs des ehemaligen Hochaltarziboriums wurden in einer Reihe von Fotografien dokumentiert, wobei auch verschiedene Möglichkeiten der digitalen Kamera getestet wurden.

2014 Rom, San Vitale

Jahr: 2014
Anzahl Fotografien: 75
Forschung / Publikation: Sybille Ebert-Schifferer, Projekt Ars Roma

Der in der Forschung bislang wenig beachtete monumentale Freskenzyklus in der römischen Kirche San Vitale ist um 1600 entstanden und kürzlich restauriert worden. Gabi Fichera hat ihn erstmals vollständig für die Bibliotheca Hertziana fotografisch dokumentiert.

 

1993/2014 Rom, Villa Giulia

Jahr: 1993, 2014
Anzahl Fotografien: 101
Forschung / Publikation: Kiene, Michael: Bartolomeo Ammannati, Mailand 1995

Eine erste Schwarzweißkampagne zur Architektur der Villa Giulia und zur benachbarten Fontana dell’Acqua Vergine fand 1993 in Zusammenhang mit den Forschungen Michael Kienes zu Bartolomeo Ammannati statt. Im Juni 2014 dokumentierte Gabi Fichera Baukomplex und Brunnen erneut umfassend und nahm auch die restaurierten Fresken Pietro di Giovenale Mongardinis in der Halbkreisloggia des Casino vollständig auf. Die Kampagne in der Villa Giulia war zugleich die letzte, die Gabi Fichera für die Bibliotheca Hertziana durchführte.

Konzeption und Texte: Tatjana Bartsch, Johannes Röll, Regine Schallert
Mitarbeit: Susanna Thelen
Fotografien: Gabriele Fichera

16.7.2014

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